Flexibles Arbeiten – Nicht nur eine Frage der Arbeitszeit!
Dr.-Ing. Patricia Stock
Getrieben durch die aktuelle Situation rund um Covid-19 gewinnt das zeit- und ortsflexible Arbeiten zunehmend an Bedeutung, also solche Arbeitsformen, in denen die Beschäftigten den Ort und/oder die Zeiteinteilung ihrer Tätigkeit flexibel und souverän gestalten können. Dabei gibt der Arbeitgeber lediglich die gewünschten Arbeitsergebnisse vor, während der Arbeitnehmer die konkrete Ausführung (z.B. hinsichtlich Ort, Verteilung, Lage, Dauer) unter Einhaltung der rechtlichen Regelungen bestimmen kann.
Möglichkeiten zur zeitlichen und/oder räumlichen Flexibilisierung ergeben sich für viele Unternehmen. Sowohl für zeit- als auch ortsflexible Arbeit gibt es allerdings betriebsspezifische Einschränkungen in der praktischen Umsetzbarkeit. Somit gibt es keine pauschale Lösung für die Realisierung des zeit- und ortsflexiblen Arbeitens, vielmehr müssen stets betriebsspezifische Umsetzungen gefunden werden. Hier kann der REFA-Arbeitsorganisator unterstützen.
Eine belastbare Zeitwirtschaft ist die Basis für die Gestaltung von zeit- und ortsflexibler Arbeit
Im Rahmen der Gestaltung von flexibler Arbeit werden zunächst Informationen über den Personalbestand und -bedarf benötigt, um diese bestmöglich aufeinander abstimmen zu können:
- Der Personalbedarf ist die Personalkapazität, die zur Durchführung von Arbeitsaufgaben qualitativ und quantitativ erforderlich ist. Er wird beschrieben durch die Art (Qualifikation) und Anzahl des erforderlichen Personals sowie durch den Zeitpunkt oder Termin, die Dauer und ggf. den Ort des Einsatzes.
- Der Personalbestand ist die Personalkapazität, die zur Durchführung von Arbeitsaufgaben qualitativ und quantitativ zur Verfügung steht.
Die genaue Kenntnis über Personalbedarf und -bestand ist für die Planung von flexibler Arbeit unerlässlich. Deren Ermittlung ist keinesfalls trivial, da hier umfassende Daten zur Verfügung stehen müssen, die üblicherweise nicht in vollem Umfang standardmäßig im Unternehmen vorgehalten werden. Hier unterstützt die REFA-Methodenlehre den betrieblichen Planer bei der Bestimmung von Personalbedarf und bestand. Eine funktionierende Zeitwirtschaft ist somit unerlässlich für die Gestaltung von zeit- und ortsflexibler Arbeit. In der betrieblichen Praxis wird dies jedoch häufig unterschätzt.
Arbeitsgestaltung setzt den Rahmen für die Flexibilisierung von Arbeit
Zudem müssen die Rahmenbedingungen im Betrieb so ausgelegt werden, dass diese die angestrebte Flexibilität auch tatsächlich unterstützen. Dies erfordert eine systematische Arbeitsgestaltung sowie eine passende Arbeitsorganisation. Hier ist der REFA-Arbeitsorganisator gefragt. Dieser muss insbesondere die folgenden Aspekte geeignet gestalten, wobei in die REFA-Methoden unterstützen:
- Im Zusammenhang mit flexibler Arbeit ist stets zu prüfen, welche Arbeitsaufgaben zeitlich und/oder örtlich flexibel durchgeführt werden können bzw. welche Restriktionen hierbei auftreten. Nicht jede Aufgabe ist orts- und/oder zeitflexibel durchführbar. Einfluss haben z.B. die Abgeschlossenheit der Aufgabe, Schnittstellen zu anderen Aufgaben im Prozess, die Akteure bei der Durchführung (z.B. mehrere Bearbeiter, Kunden etc.), der erforderliche Input (z.B. Rohmaterial in der Produktion, nicht-digitalisierte Akten in der Verwaltung), die erforderlichen Betriebsmittel (z.B. spezielle Anlagen in der Produktion) oder rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. Datenschutz).
Der REFA-Arbeitsorganisator muss sicherstellen, dass die flexible Arbeit durch die Gestaltung der Arbeitsaufgabe auch tatsächlich unterstützt wird. Darüber hinaus ist zu klären, wie eine ggf. erforderliche Kontrolle oder Beurteilung der Arbeitsergebnisse durch die Führungskraft realisiert werden kann. - Bei flexibler Arbeit sind oft spezielle Arbeitsmittel einzusetzen. Für das ortsflexible Arbeiten bei Verwaltungsaufgaben ist i.d.R. ein Notebook erforderlich sowie der Zugang zum Internet sowie ggf. auch zu benötigten Datenbanken und Programmen. Hierbei müssen die entsprechenden Regelungen von Arbeits- und Datenschutz berücksichtigt werden.
Auch das Arbeitsmittel kann bestimmte Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitsperson voraussetzen. Werden für den Einsatz von flexibler Arbeit spezielle Arbeitsmittel benötigt, so ist sicherzustellen, dass die Mitarbeiter hierfür ausreichend qualifiziert wurden.
Der REFA-Arbeitsorganisator analysiert die Anforderungen an die einzusetzenden Arbeitsmittel, unterstützt bei deren Auswahl und gibt Hinweise für deren fachgerechten Einsatz. - Ebenso kann die Arbeitsumgebung die Arbeit beeinflussen, d.h. durch Umgebungseinflüsse und soziales Umfeld.
Bei der Gestaltung von flexibler Arbeit ist daher stets auch zu prüfen, ob die angestrebte Arbeitsumgebung angemessen ist. So bieten sich z.B. für vertrauliche Telefonate oder Besprechungen öffentliche Orte nicht an. Hier gilt es auch, den Beschäftigten entsprechend zu sensibilisieren.
Der REFA-Arbeitsorganisator definiert die Anforderungen bzgl. der Arbeitsumgebung, gestaltet diese im betrieblichen Umfeld und gibt Hinweise für die Arbeit außerhalb des Betriebes. - Schließlich ist auch die Arbeitsorganisation relevant, z.B. die Fragen, welche Verantwortung die Arbeitsperson innehat oder welche Ablauforganisation vorliegt. So ist z.B. bei einer Führungskraft zu klären, wie sichergestellt werden kann, dass die Führungsfunktion auch beim flexiblen Arbeiten sicher ausgeführt wird.
Je autonomer die Aufgaben des Beschäftigten in der betrieblichen Ablauforganisation sind, desto einfacher dürfte i.d.R. die Flexibilisierung der Arbeit sein. So wird es in einer zwangsverketteten Fertigungslinie nahezu unmöglich sein, den Beschäftigten zeitliche Flexibilität zu gewähren, da in diesem Fall alle Arbeitsplätze voneinander abhängig sind und der Ausfall eines Beschäftigten den Stillstand der ganzen Linie bedeuten würde. Allerdings könnten hier ggf. durch eine andere Gestaltung der Ablauforganisation Freiräume geschaffen werden, z.B. durch den Einsatz von Springern.
Die Arbeitsorganisation ist abhängig von dem aktuellen Bedarf und den technischen Möglichkeiten des betrachteten Betriebs. Beispiele guter Praxis können daher zwar eine Orientierung geben, lassen sich aber i.d.R. niemals einfach kopieren. Hier ist der REFA-Arbeitsorganisator mit seiner Fachexpertise gefragt, die beste betriebsspezifische Lösung zu finden.
Die REFA-Grundausbildung 4.0 liefert alle Werkzeuge, um die Rahmenbedingungen für zeit- und ortsflexiblem Arbeiten zu schaffen
Für die Umsetzung von zeit- und ortsflexiblem Arbeiten ist ein systematisches Vorgehen erforderlich, um die Situation im Betrieb ganzheitlich analysieren und gestalten zu können. Dies sollte stets im Dialog mit allen betrieblichen Akteuren erfolgen. Aufgabe des REFA-Arbeitsorganisators ist es, für den eigenen Betrieb die passenden Methoden und Werkzeuge zu identifizieren und im Unternehmen einzuführen. Hierbei sind insbesondere die für das Unternehmen relevanten Ziele und Erfolgsfaktoren geeignet zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Gestaltung flexibler Arbeit.
Die REFA-Grundausbildung 4.0 liefert das Basis-Know-how, um die Rahmenbedingungen für flexibles Arbeiten zu schaffen. Der REFA-Arbeitsorganisator hat die Qualifikation Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufe zu analysieren und zu strukturieren, Arbeitsplätze arbeitsorganisatorisch und ergonomisch zu gestalten sowie Prozessdaten zu ermitteln und anzuwenden. Damit steht ihm das Handwerkszeug zur Schaffung der Grundlagen für zeit- und ortsflexibles Arbeiten in seinem Unternehmen zur Verfügung.
Die traditionellen Strategien und Methoden von Arbeitsgestaltung und Zeitwirtschaft werden derzeit vom REFA-Institut überprüft und weiterentwickelt. Methoden und Werkzeuge zielen auf die Balance von Produktivität und nachhaltiger Unternehmenskultur ab, welche die Mitarbeiterorientierung als wichtigen Erfolgsfaktor fördert. Als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis unterstützt das REFA-Institut Unternehmen und Beschäftigte, sich auf den Wandel zur digitalisierten Arbeitswelt einzustellen.